Poltringer Heimatgeschichte

Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – Wie Poltringen fast an der Landebahn des Flughafens Stuttgart II gelegen hätte

Da man in der Landesregierung die Kapazitäten des Flughafens Stuttgart-Echterdingen bis 1980 sich erschöpfen sah, ließ man im Jahre 1970 / 71 ein Gutachten zu möglichen Alternativstandorten für einen Großflughafen anfertigen.

Hierbei ergaben sich 4 mögliche Standorte (Katharinentaler Hof bei Pforzheim, Walddorf im Schönbuch, Mönsheim und Hailfingen) mit Präferenz auf Mönsheim und Hailfingen.

Die Ortschaft Hailfingen wäre dabei mit dem Flughafenterminal komplett überbaut und ausgelöscht worden sowie von der Ammertalbahn bei Pfäffingen abzweigend hätte es Bahnlinie an Poltringen vorbei über das Terminal bis nach Bondorf und die Gäubahn gegeben. Die südliche und längere der beiden Landebahnen hätte zwischen Reusten und Oberndorf auf der Anhöhe über Poltringen geendet.

Da aber auch vieles für den Ausbau in Stuttgart-Echterdingen sprach, wurde letztendlich dort der Ausbau vorangetrieben und Poltringen „entging“ ein internationaler Großflughafen vor der Haustür.

Natürlich hätte es seinen Reiz gehabt von der S-Bahn-Haltestelle „Poltringen“ in 2 min. am Flughafen „Stuttgart II“ zu sein, aber man mag sich nicht die negativen Folgen für Poltringen und das Ammertal ausdenken (z.B. Fluglärm, Verkehrsaufkommen, Zersiedelung, Industrialisierung, Umweltverschmutzung), wenn es direkt an der Poltringer Gemarkung angrenzend einen Großflughafen gegeben hätte, direkt hinter Reusten ein Autobahnkreuz zwischen A 81 neu und einer vierspurigen B 28 neu und auf der Höhe zwischen Oberndorf und Reusten direkt über der St. Stephanus-Kirche einfliegend im Minutentakt landende und startende Flugzeuge.

Planungskarte Flughafen Stuttgart II, Gutachten Prof. Leutzbach, Kartenteil, Karte 52,1971, Kreisarchiv Tübingen

Planungskarte Flughafen Stuttgart II, Gutachten Prof. Leutzbach, Kartenteil, Karte 52,1971, Kreisarchiv Tübingen

 

Wer hierzu vertiefende Informationen beitragen kann oder andere Geschichten als „Fundstücke“ beitragen möchte, kann sich gerne bei unserer AG melden (heimatgeschichte ät hwv-ammerbuch punkt de).

Für die AG „Poltringer Heimatgeschichte“, Boris Dieter

Posted by Sabine in Poltringer Heimatgeschichte

Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – Wie Poltringen fast direkt an der Bundesstaße gelegen hätte

B28Um die B 28 für den wachsenden Verkehr kreuzungsfrei zu ertüchtigen gab es schon in den 50/60er Jahren Pläne den Verlauf der B 28 zu ändern und ortsumgehend neu zu bauen. Dabei gab es den Plan auf Höhe Breitenholz von der damaligen Trasse der B 28 abzubiegen, diese südlich hinter Entringen, östlich an Poltringen vorbei und hinter Pfäffingen westlich von Wurmlingen zur jetzigen Trasse der B 28 im Neckartal zu führen. (Bildunterschrift: Planungskarte B 28 neu, ohne Jahreszahl, Ortsarchiv Poltringen, Kartenstapel)

Den Unterjesinger Stau betrachtend wäre das heute sicher eine reizvolle Streckenführung, aber man mag sich nicht die negativen Folgen für Poltringen und das Ammertal ausdenken (z.B. Verkehrslärm, Wasserwerk, Aussicht), wenn direkt parallel zum Pfalzgrafenring am Käsbachknie die Bundesstraße, ggf. sogar vierspurig, verlaufen würde.

Wer hierzu vertiefende Informationen beitragen kann oder andere Geschichten als „Fundstücke“ beitragen möchte, kann sich gerne bei unserer AG melden (heimatgeschichte ät hwv-ammerbuch punkt de).

Für die AG „Poltringer Heimatgeschichte“, Boris Dieter

Posted by Sabine in Poltringer Heimatgeschichte

Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – Wie hat Poltringen früher gewählt?

Da es erst in der Weimarer Republik ab 1918 ein allgemeines, freies, gleiches, unmittelbares und geheimes Wahlrecht gab, wird hier nur der Zeitraum ab 1918 betrachtet. Vorher durften nicht wählen:

  • alle Frauen,
  • wer keine Grundsteuern zahlte (das galt für die meisten Bürger)
  • und wer nicht mindestens 25 Jahre alt war

D. h. wahlberechtigt waren vor 1918 damit nur ca. 20% der Bevölkerung.

Zwischen 1918 und 1933 wählte Poltringen bei den Reichstagswahlen stabil zu über 70 / 80% das bürgerlich-konservative (katholische) Zentrum. Bei der letzten freien Wahl vor dem Kriegsende, der Reichstagswahl 05.03.1933, war in Poltringen weiterhin die Zentrums-Partei mit über 60% Wahlsieger; die anderen (rechten, linken oder liberalen) Parteien konnten hier immer noch relativ wenig Stimmen erlangen, obwohl es sonst im Parteienspektrum in den Jahren davor anderorts gravierende Umschichtungen gab. Im Unterschied zum generellen Trend lag auch die NSDAP nur bei 37% (im benachbarten Reusten hatte die NSDAP zeitgleich mit 86% ihr bestes Ergebnis im gesamten Oberamt Herrenberg, das Durchschnitt von 58% NSDAP Stimmen hatte, im Land waren dies 42% und reichsweit 44%). In Poltringen überwog damit weiter überdurchschnittlich die katholische Prägung gegenüber der nationalistischen Orientierung (u.a. aus der Promotion „Die Entwicklung der Parteien in Herrenberg 1918 – 1933“ von Rafael Binkowski, 2007, und „Politische Räume im Landkreis Tübingen während der Weimarer Republik“ von Wolfgang Sannwald in „Tubingensia – Impulse zur Stadt- und Universitätsgeschichte“, 2008).

Bei den Bundestagswahlen nach dem Krieg von 1949 bis 1971 ergaben sich folgende, wieder stabil weit mehrheitlich bei der früher christlich-konservativen CDU liegenden, an die Vorkriegstradition anknüpfenden, Zweitstimmenanteile für Poltringen (nur Ergebnisse über 5%):

  • 1949 CDU 80,6%, SPD 9,4%, FDP 6,9%, Sonstige 3,1%
  • 1953 CDU 81,2%, SPD 7,7%, FDP 4,5%, Sonstige 6,6%
  • 1957 CDU 73,0%, SPD 11,8%, FDP 12,3%, Sonstige 2,9%
  • 1961 CDU 73,9%, SPD 14,1%, FDP 9,5%, Sonstige 2,5%
  • 1965 CDU 71,1%, SPD 18,4%, FDP 7,9%, Sonstige 2,7%
  • 1969 CDU 68,6%, SPD 23,1%, FDP 1,9%, NPD 5,7%, Sonstige 0,8%

Mit Gründung der Gemeinde Ammerbuch 1971 ging dann die Gemeinde Poltringen als Wahlbezirk in der neuen Gemeinde auf und zeigte in den Jahren von 1972-2017 folgende, weiter die CDU, wenn auch meist stetig abnehmend, als stärkste Partei aufzeigende, Wahlergebnisse (nur Ergebnisse über 5%):

  • 1972 CDU 63,7%, SPD 26,9%, FDP 6,5%, Sonstige 2,9%
  • 1976 CDU 69,6%, SPD 23,3%, FDP 5,8%, Sonstige 1,ó3%
  • 1980 CDU 66,0%, SPD 23,1%, FDP 8,3%, Sonstige 2,6%
  • 1983 CDU 45,9%, SPD 32,8%, FDP 11,3%, Grüne 9,4%, Sonstige 0,7%
  • 1987 CDU 52,6%, SPD 24,6%, FDP 10,0%, Grüne 11,0%, Sonstige 1,7%
  • 1990 CDU 47,8%, SPD 25,8%, FDP 9,6%, Grüne 9,3%, Sonstige 7,5%
  • 1994 CDU 42,0%, SPD 28,0%, FDP 9,0%, Grüne 13,7%, Sonstige 7,3%
  • 1998 CDU 37,2%, SPD 30,8%, FDP 7,6%, Grüne 13,1%, Sonstige 11,3%
  • 2002 CDU 32,2%, SPD 38,9%, FDP 6,5%, Grüne 17,9%, Sonstige 4,5%
  • 2005 CDU 39,4%, SPD 26,5%, FDP 12,0%, Grüne 14,0%, Sonstige 8,0%
  • 2009 CDU 34,0%, SPD 17,4%, FDP 18,5%, Grüne 18,5%, Linke 5,1%, Sonstige 6,5%
  • 2013 CDU 48,4%, SPD 17,1%, FDP 5,6%, Grüne 12,6%, Linke 6,3%, Sonstige 10,0%
  • 2017 CDU 36,0%, SPD 14,2%, FDP 12,5%, Grüne17,8%, AfD 9,0%, Linke 6,6%, Sonstige 3,9%.

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Für die AG „Poltringer Heimatgeschichte“, Boris Dieter

Posted by Sabine in Poltringer Heimatgeschichte

Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – Sage des Geist vom Harthäusle

Harthaeusle„Im Harthäusle bei den Linden hauste einst ein Geist, der die Bauern auf den Feldern in allen möglichen Formen und Erscheinungen erschreckte und belästigte. Dies ging schließlich soweit, dass der Ortspfarrer sich genötigt sah, hier helfend einzuspringen.

In Amtstracht, mit Gebetsbuch, Stola und Weihwasser ausgerüstet, schritt er auf das Harthäusle zu, sprach seine Gebete, bannte den Geist in einen Weinkrug und schickte ihn in den Schönbuch, worauf der Geist, im Weinkrug versteckt, sich in die Lüfte erhob und in den Schönbuch flog. Seitdem war niemand mehr in dieser Gegend bei der Arbeit von einem Geist belästigt.“

Aus dem „Heimatbuch Gemeinde Poltringen“ von Florian Bizenberger von 1971, S. 21.

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Für die AG „Poltringer Heimatgeschichte“, Boris Dieter

Posted by Sabine in Poltringer Heimatgeschichte

Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – Wie Poltringen fast Ammerbuchs „Hauptstadt“ geworden wäre

Planskizze von 1995, mindestens in den 70er Jahren gab es ebenfalls einen Entwurf

Planskizze von 1995, mindestens in den 70er Jahren gab es ebenfalls einen Entwurf

Im Zuge der Gebietsreform ab 1968, die zu leistungsfähigeren Gemeinden führen sollte und die 1971 auch die Gründung von Ammerbuch (als erste neue Einheitsgemeinde im Landkreis Tübingen) erbrachte (für das als Gemeindenamen alternativ damals auch „Ammertal“, „Großammern“, „Ammern“ oder „Hardt“ in Diskussion war), war ebenfalls geplant an einem zentralen Standort in Ammerbuch alle zentralörtlichen Einrichtungen zusammenzuführen. Hierfür war zeitweise am nördlichen Rand von Poltringen bei den Sportgeländen und der PFC Halle eine umfangreiche Bebauung vorgesehen.

Grund für diese Entscheidung war auch die zentrale Lage Poltringens, da ja sogar zu Beginn der Gemeindereform geplant war, dass auch Unterjesingen und Oberndorf mit zu Ammerbuch gehören sollten, und dann Poltringen noch zentraler gelegen wäre. Was aufgrund der Lage (Unterjesingen liegt ja direkt bei Pfäffingen, aber weit von Tübingen; Oberndorf war geschichtlich seit seiner Gründung eng mit Poltringen verbunden und auch dort ist es weiter nach Rottenburg als nach Ammerbuch) auch durchaus Sinn gemacht hätte.

In einem FAZ Artikel vom 05.07.1975 (“Sechs Dörfer suchen eine Stadt – Kommunalentwicklung in der Provinz oder Ammerbuch wird doch kein schwäbisches Brasilia” von Sibylle Krause-Burger) über den Zusammenschlussprozess und die Planung der zentralörtlichen Einrichtungen wurde ein Poltringer zu den Vorteilen der Lage wie folgt zitiert: „….dort im landwirtschaftlich schlechtesten Grund wär´ der Weg von Pfäffingen net weit, von Entringen net weit, von Altingen und vom Wolfsberg, die könnet in de Hausschuh ronterlaufe und mir Poltringer au.”

Da sich der Einigungsprozess bezüglich Ammerbuch aber nicht ganz einfach gestaltete und hinzog (Details dazu: „Goldener Zügel und Abschlachtprämie“ von Dr. Wolfgang Sannwald, in „Persilschein, Käferkauf und Abschlachtprämie – Von Besatzern, Wirtschaftswunder und Reformen im Landkreis Tübingen“, S. 406 bis 414) und es von Rottenburg und Tübingen attraktive Avancen Richtung Unterjesingen (z.B. beheiztes Freibad) und Oberndorf gab, entschieden sich diese leider gegen Ammerbuch. Aber auch heute liegt der geografische (“kommunale“) Mittelpunkt der Rathäuser aller 6 Teilgemeinden auf Poltringer Gemarkung westlich des Flugfeldes (Details: https://ammerbuch.freiewaehler.de/infos-zu-ammerbuch/ammerbucher-mittelpunkt/). Auch ungefähr in dieser außerörtlichen Lage gab es einst Pläne die zentralörtlichen Einrichtungen anzusiedeln.

Die geplante Bebauung umfasste:

  • Rathaus
  • Kindergarten
  • Stadion
  • Festplatz
  • Sporthalle
  • Schwimmhalle
  • Haupt- und Förderschule
  • Realschule
  • und sogar ein Gymnasium

Zur Umsetzung der Pläne kam es dann aber nie, da 1997 ein Bürgerentscheid den dahingehenden Gemeinderatsbeschluß aufhob. Es votierten 60 Prozent der Wahlberechtigten gegen den Poltringer Standort. Nur die Poltringer selbst waren mehrheitlich dafür, Altingen, Breitenholz, Entringen, Pfäffingen und Reusten lehnten ab. So entwickelte sich die größte Ortschaft von Ammerbuch, Entringen, zur „Hauptstadt“ unserer Gemeinde und ist nun auch Standort der neuen Gemeinschaftsschule.

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Für die AG „Poltringer Heimatgeschichte“, Boris Dieter

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Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – Wie Poltringen fast einen Bahnhof bekommen hätte!

HWV AG - geplanter Poltringer BahnhofAls um die vorletzte Jahrhundertwende die Ammertalbahn geplant wurde (ca. 1890), war anfangs ein Streckenverlauf nicht über Entringen, sondern durch das Ammertal geplant. Dadurch hätte auch Poltringen einen eigenen Bahnhof bekommen. Dieser wäre heute am Ortsausgang Richtung Oberndorf im Winkel zwischen dem „Wendelsheimer Weg“, Engwiesenbach und der „Wasenbreite“ zu finden gewesen. Die weitere Bahnlinie wäre hinter der Clemenskirche parallel zur heutigen Aiblestraße und auf dem Ammerbegleitweg am Schloß und Stephanuskirche vorbei auf der südlichen Ammerseite bis Reusten verlaufen. (Bildunterschrift: Bahnlinienverlaufsplan von 1909 aus dem Stadtarchiv Tübingen)
Zudem gab es auch Pläne für eine Querverbindungsbahn ab Pfäffingen / Unterjesingen nach Rottenburg. Diese wurden aber nach Inbetriebnahme der Ammertalbahn 1910 nicht weiterverfolgt.
Wie kam es nun dazu, dass es nichts wurde mit dem Poltringer Bahnhof? Hierzu gibt es mehrere Thesen (aus „Angelokt – 100 Jahre Ammertalbahn im Landkreis Tübingen“ von Dr. Wolfgang Sannwald, Hg., 2009):
1) In Poltringen setzte sich besonders Schultheiß Schmid für den Bau der Bahn durch die Gemeinde ein. Als verhängnisvoll erwies sich jedoch, dass der Bahnhof auf einem Acker stehen sollte, der dem Schultheißen selbst gehörte. Einige „Hetzer, Schreier und Neider“ brachten einen großen Teil der Bürgerschaft gegen Schmid auf: „der Dicksack will nur seinen Acker teuer verkaufen“ und sei deshalb aus Eigennutz für den Bahnbau. Aus kommunalpolitschen Gründen verzichteten die Poltringer im Zuge dieser sachfremden Debatte auf den unmittelbaren Bahnanschluss. Erst am Eröffnungstag sahen sie, „welch großer Vorteil ihnen für ewige Zeiten entgangen ist“.
2) Eine zweite These sieht wirtschaftliche Gründe für die Streckenänderung, da mit dem Streckenverlauf über Entringen Holz aus dem Schönbuch und vor allem Gips aus dem Gipswerk als Frachtgüter die Rentabilität der Ammertalbahn damals positiv beeinflussten. Zudem war schon damals Entringen größer als Reusten und Poltringen zusammen und bot das größere Fahrgastpotential.
3) Eine weitere These besagt, dass die für das Ammertal zuständigen Landtagsabgeordneten, die auf Hohenentringen bzw. Schloss Roseck lebten und im zweiteren Fall mit einer Frau aus Breitenholz verheiratet waren, persönliche Interessen bezüglich eines Streckenverlaufs über Entringen hatten.
4) Zudem muss man auch sehen, dass ein Bahnbau auf der eigenen Gemarkung hohe Kosten für die jeweilige Gemeinde bedeutete (z.B. kostenlose Landabgabe für Gleiskörper und Bahnhofsgelände, Geldzuschüsse sowie Gestellung Betriebswasser) bei Unklarheit, ob sich diese Investition zukünftig auch lohnt. Poltringen war ja keine wohlhabende Gemeinde und hatte sich mit dem Kauf des Schlossgutes einige Jahre davor (1890) verschuldet.
5) Des Weiteren befürchtete man in dem rein landwirtschaftlich geprägten Dorf mit einem Bahnanschluss und etwaigen größeren Industrie- und Gewerbeansiedlungen, die ja dann auch in Pfäffingen erfolgten, sowie der damit möglichen größeren Mobilität nach und aus Poltringen heraus negative „moralische Einflüsse“ u.a. auf die Dorfjugend.

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Für die AG „Poltringer Heimatgeschichte“, Boris Dieter

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Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – Zwangsarbeiter
„Während des Krieges waren im Steinbruch in Reusten jüdische bzw. ausländische Zwangsarbeiter beschäftigt gewesen. Es war bekannt, dass diese Juden sehr schwer arbeiten mussten und ganz wenig zu essen bekamen. Daher beschlossen einige Frauen aus Poltringen den Juden etwas zum Essen zu bringen. Das war streng verboten und konnte laut Aussage eines NSDAP-Funktionärs „den Kopf kosten“.
Die Frauen haben sich dann ausgedacht, Vesperbrote zu richten. Diese wurden in Zeitungspapier verpackt und Sonntagnachmittags gingen die Frauen mit ihren Kindern spazieren nach Reusten. Die Kinder mussten dann im Steinbruch „Verstecken“ spielen und bei dieser Gelegenheit die Vesperbrote ablegen. Man musste aber schwer aufpassen, dass man nicht erwischt wurde.“
Aufgezeichnet von Hanne Baur geb. Vogelmann, damals wohnhaft Poltringen, Hauptstraße 28.

Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – erste topografische Landkarte Poltringens von 1819
HWV AG - erste Karte PoltringensDie erste detailgetreue und realistische Landkartenabbildung Poltringens gab es erst 1819 (siehe unten). Anlass dafür war die „Württembergische Landesvermessung“, im Zuge deren erstmals von 1818 bis 1840 im Königreich Württemberg eine genaue Vermessung und Kartierung des Landes durchgeführt wurde.
Diese war notwendig, da sich durch die Umwälzungen der napoleonischen Zeit das 1806 zum Königreich erhobene Land Württemberg sich etwa auf das Doppelte der Fläche vergrößerte. Entsprechend der Vielzahl früherer Herrschaften gab es in den verschiedenen Landesteilen in Umfang, Aufbau und Genauigkeit höchst unterschiedliche Grundstücksverzeichnisse.
Diese – zumeist als Güter-, Lager- oder Steuerbücher bezeichnet – erfüllten zwei Zwecke: Einerseits dienten sie, als Vorläufer des heutigen Grundbuchs, dazu, alle mit den Grundstücken verknüpften Rechtsgeschäfte (Verkauf, Verpfändung, Grunddienstbarkeiten) einzutragen, andererseits bildeten sie ein wichtiges Hilfsmittel für die Erhebung der Grundsteuer. Um die Steuer nicht willkürlich, sondern nach einem nachvollziehbaren System, beruhend auf Größe, Nutzung und Ertragswert der Grundstücke, festsetzen zu können, mussten die Bücher vereinheitlicht und alle Flächen genau vermessen werden.
Die wissenschaftliche Leitung der Landesvermessung übernahm der Tübinger Professor Johann Gottlieb Friedrich von Bohnenberger. Nullpunkt des württembergischen Koordinatensystems war auch daher das Observatorium im Nordostturm von Schloss Hohentübingen.
Dabei waren durchschnittlich 90, insgesamt 500 Geometer im Auftrag des königlichen „Statistisch-topographischen Bureaus“ beschäftigt. Die Gesamtkosten der 22 Jahre dauernden Landesvermessung betrugen 3.820.000 Gulden, was rund 40 Prozent eines seinerzeitigen Jahresetats des Staates entsprach. D.h. man machte hier eine riesige Investition.
Auf der Karten von Poltringen sieht man z.B. dass der Ort viel kleiner wie heute war, bei der Klemenskirche und der heutigen Rathauskreuzung Richtung Schloss endete und es im Ort keine Ammerbrücke, sondern nur einen Fußgängersteg gab.

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Für die AG „Poltringer Heimatgeschichte“, Boris Dieter

Posted by Sabine in Poltringer Heimatgeschichte

Einladung

Das nächste Treffen der „Arbeitsgemeinschaft Poltringer Heimatgeschichte“ ist am 29.01.2019 um 20 Uhr in der Palmberghütte. Wer bei ortsgeschichtlichen Themen aktiv mitarbeiten will, ist hierzu herzlich eingeladen. Die Arbeitsgemeinschaft freut sich immer über das Beisteuern von Bildern und Geschichten.

Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – Römerschlacht am Pfaffenberg
Im Jahre 260 n. Chr. waren die Römer gezwungen den Limes und unsere Region aufzugeben und sich auf die Rheingrenze zurückzuziehen. Da es in der Folge aber immer wieder Angriffe auf das Reichsgebiet aus der Region gab, war man gezwungen immer wieder Straffeldzüge in das frühere römische Gebiet zu führen.
368 n. Chr., d.h. ca. 100 Jahre vor dem Ende des weströmischen Reiches 476 n. Chr., gab es den letzten Heerzug der Römer unter Kaiser Valentinian I. in das früher römische, nun alamannische Neckarland. Dieser Feldzug vom Hochrhein aus endete mit einem verlustreichen Sieg der Römer bei Solicinium hier in der Region.
Wo dies lag, ist bisher aber ungeklärt. Es gibt hierzu eine ganze Liste an Thesen. Eine, eher aber lokal-patriotisch motivierte These lokalisierte 1877 den Schlachtort auf dem Pfaffenberg bzw. Spitzberg (aus „Das Schloss Alt-Rotenburg oder die Weilerburg von Einst und Jetzt“ von Ludwig Schmidt von 1877, S. 76 bis 81) unter der Vermutung, dass Rottenburg / Sumelocenna / Sülchen = Solicinium sei.
Wahrscheinlicher ist allerdings die aktuellere These, dass der Ort bei Hechingen-Beuren zu verorten ist, wo es auch Berichte über passende Funde und Sagen gibt und die Topografie stimmig mit den historischen Berichten der Schlacht ist (aus „Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte“ 26 (113) von Dr. H.D. Lehmann von 1990, S. 14 bis 22).
Würde die These von Schmidt stimmen wäre der Hauptangriff der Römer aus südlicher Richtung von Wurmlingen und Wendelsheim aus vorgetragen worden und die alamannische flüchtende Armee dann in einen bei Poltringen liegenden römischen Hinterhalt getrieben worden. (Bildunterschrift: fiktive, eigene Darstellung)
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Für die AG „Poltringer Heimatgeschichte“, Boris Dieter

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Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – Poltringer „Religionskrieg“

Durch die Zugehörigkeit zu zwei konfessionell unterschiedlich ausgerichteten Herrschaftsbereichen (österreichisch-katholisch Hohenberg und evangelisch Württemberg) ergab sich in Poltringen vom 16. bis zum 19. Jahrhundert eine spannungsgeladene Situation.

Die nachfolgende Zeittafel ist überwiegend eine vereinfachende Zusammenfassung der sehr schönen Arbeit des in Reusten lebenden emeritierten Professors Dieter Stievermann: „Grenzlagen und Konfessionskonflikte im Ammertal: Poltringen und Reusten in der Frühen Neuzeit“ in „Befreite Erinnerung Teilband 2: Region – Religion – Identität: Tübinger Wege“, S. 51-77, 2017. Wer sich detailliert mit diesem Geschichtsabschnitt befassen will, sei die Lektüre wärmstens empfohlen. Diese Zeittafel ist punktuell ergänzt mit weiteren zur Thematik passenden Daten.

  • 1535 Einführung der Reformation in Württemberg
  • 1599 Einsetzung eines ersten evang. Pfarrers in St. Stephanus durch den (evang.) späteren Bergschlossbesitzer Jakob v. Ehingen (dadurch Beschwerde über ihn beim Kaiser und wohl folgenloser Haftbefehl)
  • 1600 Aufgabe des Frauenklosters bei St. Stephanus
  • 1603 Bau des („evang.“) Bergschlosses
  • 1608 reichsgerichtliche Prozesse und Vergleich inklusive Religionsfreiheit (damals eine Besonderheit), St. Klemens wird evangelisch, St. Stephanus bleibt katholisch (Einwohner waren damals etwa zur Hälfte kath. / evang.)
  • 1618 Beginn des 30 jährigen Krieges
  • 1618 kath. Überfall auf (evang.) Bergschloss wg. “Unterdrückung katholischer Untertanen”
  • 1634 im 30 jährigen Krieg flüchtet der evang. Pfarrer, evang. Einwohner müssen gehen, sterben oder konvertieren
  • 1648 Ende des 30 jährigen Krieges
  • 1670 St. Klemens wird von Evangelischen (aus Reusten) aufgebrochen und das Pfarrhaus besetzt
  • 1677 evang. Pfarrer: “sollten Lutheraner nach Poltringen ziehen, so würde man sie gewaltig quälen und schlagen” und “in Poltringen zur Kirche zu gehen, das ist vor Gott nicht mehr zu verantworten”
  • 1680 in Poltringen 11 evang. Familie (von ca. 110)
  • 1707 wieder kath. Besetzung des Pfarrhauses
  • 1721 wieder evang. Besetzung des Pfarrhauses nach Tod des kath. Pfarrers (Leiche des Pfarrers wurde dabei Treppe hinuntergeworfen und auf Misthaufen gelegt)
  • 1722 Versuch den evang. Mesner zu erschießen
  • 1723 evang. Pfarrer traut sich nicht (mehr) zu Backofen, div. Anschläge, Drohungen, Schikanen
  • 1731 nach Tod des evang. Pfarrers militärischer Schutz von (evang.) Klemenskirche und Pfarrhaus durch württembergische Miliz
  • 1732 evang. Pfarrer lässt kath. Mesner Uhren stellen, “weil dieser tüchtiger sei”
  • 1740 Oberndorfer drohen: “entweder wir kriegen eigenen Pfarrer oder wir werden evangelisch!” (ersteres erfolgte dann erst 1791)
  • 1750 nur noch Pfarrer- und Mesnerfamilie evang.
  • 1750-53 Neubau von St. Stephanus „weil man vom Luthertum umzingelt sei“ und man „und vor Ort sogar eine lutherische Kirche und Pfarrer, mithin die Ausübung der nicht katholischen Religion gegenwärtig ist“
  • 1752 kath. Dienstbote schwängert in Reusten reiche evang. Witwe, lehnt für Heirat aber nötige Konversion ab: “auch wenn man ihm ganze Reusten schenke” (es wird daher auf generelles Verbot von Indienstnahme kath. Dienstboten durch Evangelische hingewirkt)
  • 1772 dem kath. Pfarrer wurde (nach schriftl. Bestätigung, dass es Einzelfall sei) erlaubt, eine sterbende kath. Frau in Reusten zu besuchen
  • 1790 Abriss des („evang.“) Bergschlosses
  • 1808 keine evang. Gottesdienste mehr, kurz darauf Verkauf von St. Klemens an die kath. Gemeinde (vom Erlös Bau des evang. Pfarrhauses in Reusten)

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Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – Poltringer Tracht

HWV AG - Poltringer TrachtÜber die örtlich übliche traditionelle Tracht gibt es bisher nur einen Bericht aus der „Beschreibung des Oberamts Herrenberg/Kapitel A 3“ von 1855.

„Die altübliche ländliche Tracht, welche der städtischen, namentlich in der Oberamtsstadt und in den Orten Entringen, Gültstein, Poltringen und Unter-Jesingen, immer mehr zu weichen beginnt, in den übrigen Orten aber sich noch ziemlich erhalten hat, besteht bei den Männern meist in einem blauen tuchenen, nicht selten roth ausgeschlagenen Rock (zuweilen auch im Zwilchkittel) mit großen, platten, übereinander greifenden Metallknöpfen, gelben Lederhosen, Brusttüchern (Weste) von Scharlachtuch oder schwarzem, auch braunem Manchester mit großen Rollknöpfen enge besetzt; als Kopfbedeckung dient der Dreispitz-Hut, bei den ledigen Burschen aber nicht selten die pelzverbrämte Mütze mit goldener Trottel. In Breitenholz und zuweilen auch in einigen andern Orten tragen ältere Männer noch die silberne Hemdschnalle und zwei silberne Hemdknöpfe. Bei Leichenbegängnissen und bei dem heiligen Abendmahl erscheinen ältere Männer zuweilen noch nach älterer Sitte im schwarzen Mantel.

Bei dem weiblichen Geschlecht ist das gut kleidende, niedere deutsche Häubchen, wie der viel gefältelte, dunkelfarbige Wiefling- oder Tuchrock, und der ebenfalls dunkle Kittel noch ziemlich allgemein; eine Ausnahme machen die katholischen Orte Oberndorf, Poltringen und theilweise Altingen, wo sich die weiblichen Personen meist buntfarbig kleiden und häufig Hauben mit gestickten Böden tragen. In Oberndorf trifft man bei den Mädchen noch das grüne oder schwarze Mieder von Manchester, und in Gärtringen, Nufringen und Poltringen tragen die Weiber sogenannte Marlinhauben.“

Eine Darstellung der Tracht gibt es in folgender Form (siehe Bild, Bildbeschreibung: Poltringer Trachtenpuppen, entstanden ca. 1980, weibliche Feiertags- und Werktagstracht, männliche Feiertagstracht, Privatbesitz Familie Marlene und Melchior Hartmann, Poltringen, eigene Aufnahme )

Nach dem Vorbild der Frauentracht ist auch die Kleidung der 1995 eingeführten Fasnetsfigur des „Mostweible“ des Poltringer Fasnets-Club gestaltet. Ein Mostweible tritt in der Sonn- und Feiertagstracht auf, alle anderen tragen die Werktags- bzw. Arbeitstracht.

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