Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – „Poltringer Malefizpersonen“

Aus dem Jahre 1578 gibt es ein interessantes Schreiben des Poltringer Versehers (= Pfleger und/oder Verwalter, ggf. Ortsvorsteher) und des Oberndorfer Schultheiß. Beide Gemeinden gehörten ja damals noch kirchlich und herrschaftlich zusammen. In dem Schreiben geht es um Folgendes:

Hans Hartmann, Schultheiß zu Oberndorf, und Mathias Weiß, Verseher zu Poltringen, schreiben an Graf Philipp II. von Eberstein, dem damaligen Ortsherrn von seiner Belehnung 1576 bis zu seinem Tod 1589, ob „malifizierten“ Personen in der Grafschaft oder auf Burg Eberstein (bei Gernsbach im Schwarzwald) verurteilt und in Haft gesetzt werden könnten, da vor Ort kein Gefängnis und kein Hochgericht vorhanden sind. Malefizpersonen oder „malifizierte“ Personen (von lat. malefacere: „Böses zufügen“) ist eine alte Bezeichnung für „Straftäter“.

Schreiben der Oberndorfer und Poltringer Gemeindevertreter an den Grafen von Eberstein vom 16.07.1578, Staatsarchiv Wertheim

Übertragung nur des Brieftextes (durch Reinhold Bauer, Entringen):

„Wohlgeborner gnädiger und gebietender Herr, E.(uer) G.(naden)
seien unser untertänig und gehorsamer willig Dienst,
jederzeit zuvor und bereit, gnädiger Herr, nach
dem sich vor kurz verschiener (= vergangener) Zeit, Irrung und zweifaltige
Sachen zugetragen, als das in diesen zweien Flecken
malefizige Personen in Argwohn, und darüber
dies Tag die Junkern und mit Vogtherren alhie
gewest, und uns befolgen (angewiesen?), wir sollten Euer Gnaden
zuschreiben, wann wir solche Personen gefänglich
einziehen wollten, dieweil allhier kein Gefänghaus
noch Hochgericht vorhanden, und damit das Übel bestraft
werden möchte und auch damit wir ohne Befehl uns
der Sachen nicht zuviel annehmen, ob E. G. dieselbigen
malefizigen Personen, oder ob sich dergleich Sachen
fürohin weiters zutragen würden, auf Eberstein
gefänglich einlegen und strafen lassen wollten,
oder wie man sich damit verhalten solle, bitten
E. G. derwegen ganz untertänig, die wolle uns
schriftlich Bescheid darum gnädig zukommen lassen
wie wir mit solchen Fällen uns halten sollen,
dann woll etwas daran gelegen, hiermit E. G.
Gott dem Allmächtigen in seinen Schutz und uns zu
deren Gnaden, untertänig Befehl, Datum
den 16. Juli anno 78
E. G.
untertänige und gehorsame
Hans Hartmann, Schultheiß zu Oberndorf
Mathias Weiß, derzeit Verseher zu Boltringen“

Anscheinend hatte man Personen vor Ort, welche schwere Straftaten begangen hatten, aber weder Möglichkeit diese zu verurteilen, (länger) einzusperren, noch die erforderliche (Todes-) Strafe zu vollstrecken. Wie der Vorgang ausging oder um welche Taten es ging, ist leider nicht überliefert. Allerdings ist auf Karten aus dem 17. und 18. Jahrhundert in der Nähe des Harthäusles (dann?) ein „Poltringer Hochgericht“ verzeichnet und im alten Poltringer Rathaus gab es zumindestens dann im 17. Jahrhundert ein Gefängnis.

Quelle: G-Rep. 102 Nr. 7368 Akten der Gräflichen Familie Eberstein, Provenienz Kanzlei Eberstein, Staatsarchiv Wertheim

Wer hierzu vertiefende Informationen beitragen kann oder andere Geschichten als „Fundstücke“ beitragen möchte, kann sich gerne bei unserer AG melden (heimatgeschichte ät hwv-ammerbuch punkt de).

Für die AG „Poltringer Ortsgeschichte“, Boris Dieter