Heimatgeschichte

Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – „Die Römerstraße in Poltringen“

Durch die Poltringer Gemarkung führt eine Römerstraße, welche die römischen Zivilstädte Sumelocenna / Nicer (Rottenburg bzw. Sülchen / Neckar) mit Portus / Antina (Pforzheim / Enz) verband. Die Straße führte gradlinig von Rottenburg kommend an Wurmlingen vorbei nach Unterjesingen / Pfäffingen, wo sie einen scharfen Knick Richtung Westen macht und dann unter den heutigen Straßen „Im Schönblick“ und „Ziegeläckerstraße“ auf der Hochebene schnurgerade durch Poltringen Richtung Altingen führt. Auf Höhe des Pferdehofes Schmid und des Türlesbronnwäldchen passierte sie damals römische Gutshöfe (Villa Rustica). In der Verlängerung nach Osten führte die Straße weiter nach Grinario (Köngen), einem Militärlager und Zivilort (Vicus).

Wandkarte aus dem Römermuseum Rottenburg

Römische Straßen waren immer möglichst geradlinig und steigungsfrei geführt und vorzugweise auf der Höhe und nicht in den sumpfigen Talgründen angelegt, wo auch eine gradlinige Anlage schwierig gewesen wäre. Die Straße war keine militärisch bedeutsame und voll ausgebaute Hauptverbindung, aber eine wichtige regionale Route. Die wichtige Hauptroute führte vom Legionslager Argentorate / Rhenus (Straßburg / Rhein) und Vindonissa (Windisch / CH) zum Limes oder nach Castra Regina / Danubius (Regensburg / Donau) durch Sumelocenna, aber nicht durch Poltringen.

Vor den römischen Straßen gab es in unserer Region keine Straßen im engeren Sinne. Die Trassen der römischen Straßen erhielten sich aber über Jahrhunderte und sind selbst heute nach maßgeblich für moderne Straßenführungen. Zudem kann man an den vorgenannten Orts- und Flussnamen teilweise eine interessante 2000 jährige Kontinuität der Benennung erkennen.

Wer hierzu vertiefende Informationen beitragen kann oder andere Geschichten als „Fundstücke“ beitragen möchte, kann sich gerne bei unserer AG melden (heimatgeschichte ät hwv-ammerbuch punkt de).

Für die AG „Poltringer Ortsgeschichte“, Boris Dieter

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Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – „Gab es in Poltringen früher einen Galgen?“

Da Poltringen als ritterschaftliches Dorf eine am Ort residierende Ortsherrschaft hatte, liegt die Vermutung nahe, dass es dort auch ein Hochgericht bzw. eine Blutgerichtsbarkeit gab. Dies war das exklusive Vorrecht der Ortsherrschaft zur Verhängung auch der Todesstrafe. Damit war natürlich auch eine Richtstätte mit Galgen verbunden.

Bisher gab es dafür nur als Beleg den alten Namen eines Weges, des sog. Galgenwegle, das vom Schloss, Taläckerle, Bettenäcker zum Galgen / Harthäusle führte und der ehemalige Gewannname „Bei dem Galgen“ dort. Es gab auch die Vermutung, dass es nur Galgenplatz auf Reustener Gemarkung gab (oder es dort ggf. früher einen weiteren Galgenplatz gab). Dieser wird dort vermutet, wo die ehemalige Römerstraße (hier unter Feldweg südlich des Türlesbronnwäldchen Richtung Altingen verlaufend) die Landstraße von Reusten nach Breitenholz kreuzt.

Andreas Kieser „Forstlagerwerk“ 1680-1687 (in Hans-Martin Maurer und Siegwald Schiek, „Alt-Württemberg in Ortsansichten und Landkarten von Andreas Kieser 1680-1687“, Stuttgart 1985)

Am Rande einer Karte von 1680-1687 („Forstkartenwerk“ von Andreas Kieser) konnte nun ein „Poltringer Hochgericht“ mit einem eingezeichneten dreischläfrigen Galgen als zusätzlicher kartografischer Beleg für die Poltringer Hochgerichtsbarkeit gefunden werden. Auch auf einer Karte von 1709 („Tübinger Forst sambt dem Schönbuch“ von Johann Majer, Bestand N 7 Nr. 41, Hauptstaatsarchiv Stuttgart) ist der Galgen noch zu sehen.

Dieser liegt nicht, wie unten auf der Karte ersichtlich, an den damaligen Verbindungsstraßen Reusten-Entringen (heute asphaltierter Feldweg) oder Reusten-Breitenholz am Hardtwald entlang (heutige Landstraße) und auch nicht an der früheren Heer- / Römerstraße (auf Karte nicht eingezeichnet). Das Hochgericht ist vielmehr nördlich vom in der oberen rechten Ecke der Karte mit dem Bergschloss (Detailbild in Amtsblattartikel vom 30.08.18 „Bergschloss Oberpoltringen“) eingezeichneten Poltringen, wie vermutet südöstlich des Hardtwaldes etwa im Bereich der Anhöhe am Harthäusle, wohl ein paar Meter südöstlich des Platzes, an dem heute die Grillstelle beim Fliegercasinospielplatz ist.

Was auch Sinn macht, da Galgen meist so aufgestellt waren, dass sie weithin sichtbar waren um ihre Abschreckungswirkung zu unterstützen und auch um als Herrschaftszeichen der örtlichen Herrschaft zu dienen. Ebenso ist ein Indiz die dort solitär stehende Lindengruppe, die ebenfalls oft im engen örtlichen Zusammenhang mit Richtstätten zu finden ist.Leider verbrannte dieses sehr besondere, kolorierte Forstkartenwerk im 2. Weltkrieg in Stuttgart und es gibt heute nur noch Schwarz-Weiß-Aufnahmen dieser Karten.

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Für die AG „Poltringer Ortsgeschichte“, Boris Dieter

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Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – „Flugzeugabschüsse über Poltringen

Im Zweiten Weltkrieg tobte der Luftkrieg auch über unserer Region. Neben dem Tieffliegerangriff vom 6.4.1945 mit zwei auswärtigen Toten wurden über der Poltringer Gemarkung auch zwei Feindflugzeuge abgeschossen.

Die vorgenannten Flugzeugabschüsse sind wahrscheinlich die Folgenden: Es gab in der Region aber natürlich noch einige Abschüsse mehr. Allerdings ging kein Flugzeug dann auf der Gemarkung Poltringen nieder und es gab im Ort dadurch keine Todesopfer. Am Pfaffenberg/Ortsrand von Unterjesingen ging in der Nacht vom 15./16.3.1944 eine um 19.03 Uhr in Burn unter dem Kommando von Flight Sergeant John Douglas Lyon gestartete schwere Bomber Handley Page Halifax Mk. III der 578. Sqn. (RAF) mit der Nummer LW542 Kennung LK-S nieder, die mit ihrem Fliegerverband für das Bombardement von Stuttgart eingesetzt war (88 Tote, 203 Verwundete) und die gegen 23.19 Uhr von einem deutschen Nachtjäger (Oberfähnrich Helmut Bunje mit einer Messerschmitt BF 110 G-4 von der 4. Staffel/Nachtjagdgeschwader 6) bei Wurmlingen abgeschossen wurde. Von der siebenköpfigen Besatzung fanden drei britische Flieger und der Kommandant den Tod, drei konnten sich mit Fallschirmen retten und wurden gefangen genommen (u.a. Funker Sgt. Dennis J. Salt, der beide Beine verlor; Details: Tagblatt März 1984, September 1993 und 2.10.2019; weitere Namen bisher nicht recherchierbar).Westlich von Tübingen wurde am 23.2.1945 interessanterweise ebenfalls von Helmut Bunje, ein Lancaster I Bomber, Nr. PA161, Kennung BH-X aus Faldingworth unter dem Kommando von Flight Sergeant H. E. Jachacz gegen 20.15 Uhr getroffen, der mit seinem Fliegerverband für das verheerende Bombardement von Pforzheim eingesetzt war (17.600 Tote, über 30% der Bevölkerung in einer Nacht!). Sie stürzte dann bei Sindelfingen ab. Von der polnischen Besatzung gerieten vier Mann in Gefangenschaft (P/O Peisker, F/Sgt Jachacz, Sgt Minkler, Sgt Leja) und drei starben beim Absturz (F/O Barcikowski, F/Sgt Lisak, F/Sgt Stokarski).

Helmut Buntje, mit 12 Abschüssen ein sog. „Flieger-Ass“, überlebte den Krieg und starb im Jahre 2000.Wer hierzu vertiefende Informationen beitragen kann oder andere Geschichten als „Fundstücke“ beitragen möchte, kann sich gerne bei unserer AG melden (heimatgeschichte ät hwv-ammerbuch punkt de).

Für die AG „Poltringer Ortsgeschichte“, Boris Dieter

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Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – „Pfäffinger Liaisons“

Folgender Fund bietet mit zwei Anekdoten Einblicke in das frühere Verhältnis des evang. Pfäffingens zum kath. Poltringen:

„Mein Mann, Eberhard Hökh (+16.5.2019), aufgewachsen in Stuttgart, stammt aus einer Pfäffinger Familie. Der Urgroßvater, Christian Ludwig Hökh (1819-1879) besaß den letzten Hof in Pfäffingen in Richtung Poltringen, heute das Anwesen von Günter Höckh. Dieser Christian Ludwig Hökh hatte eine Tochter, Maria Friederike Hökh (1855-1937), die sich in den Säger von Poltringen verliebte. Sie bekam von ihm ein Kind. Der strenge Vater verweigerte aber die Hochzeit. Es kam nicht in Frage, dass ein evangelisches Mädle einen Katholiken heiratete. Zitat: „“An mei’m Tisch werdet so viele Mäuler satt, da kommt’s auf eins mehr net an. Aber mei evangelisches Mädle derf koin katholischa Poltringer heirate!“ Es kamen ein zweites und ein drittes Kind, bis endlich der Vater die Einwilligung zur Hochzeit gab. Endlich konnte das Mädle den Matthias Ruthart (+1927) aus der Poltringer Sägmühle heiraten und hatte insgesamt 14 Kinder! So ist der Name Ruthart nach Pfäffingen gekommen.

Ihr Bruder, Rudolf Hökh, war der Großvater meines Mannes Eberhard Hökh. Er ging zum Militär, während seine Schwester im elterlichen Hof lebte. In der Zeit brannte der Hof ab. Die Angaben zur Brandursache sind uneinheitlich: Die einen sprechen vom Blitzschlag, die anderen von spielenden Kindern. Jedenfalls brannte der Hof ab. Der Großvater meines Mannes verkaufte daraufhin seine Pfäffinger Besitzungen und erwarb von dem Erlös ein Haus in Stuttgart.

Meine Schwiegermutter erzählte noch eine andere skurrile Geschichte: Ein Verwandter namens „Leclair“ hatte Streit sowohl mit den Poltringern als auch den Pfäffingern. Er muss wohl ein unglücklicher Mensch gewesen sein und beschloss, sich das Leben zu nehmen. Zu dem Zweck setzte er sich an einen Grenzstein zwischen Poltringen und Pfäffingen und erschoss sich dort, damit die Pfäffinger und die Poltringer sich stritten, wer ihn bestatten muss.“Aufgezeichnet 2019 von Irene Hahn-Hökh aus der Biegenmühle in Pfäffingen.

„Poltringer Grenzstein“ (einzig bekannter) von 1821, hinten „1821“ / „Poltringen“, vorne „N (gespiegelt) Hirschstange „i“ mitten im Wald am Saurucken beim Friedwald auf der Gemarkung Entringen (Details: http://www.kleindenkmale-schoenbuch.de/liste_kdm.html)

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Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – „Poltringer Häftling“

In der Regierungszeit König Friedrichs I. von Württemberg waren etwa 400 Männer auf der Festung Hohenasperg bei Ludwigsburg inhaftiert. Der Hohenasperg, der seit dem Mittelalter u.a. auch als Gefängnis und heute als Vollzugskrankenhaus dient, gilt nach einem Bonmot als der „höchste Berg Württembergs“, da man in wenigen Minuten oben ist, aber Jahre braucht, um wieder herunterzugelangen.Aus dem Jahr 1813 ist eine Gefangenenliste erhalten, in der die Namen, die Haftgründe und die Haftdauer erscheinen. In den Jahresrechnungen der Festung Hohenasperg, welche im Staatsarchiv Ludwigsburg verwahrt werden, sind die Namen der Gefangenen und die Haftdauer aufgelistet, nicht aber der Grund der Festungsstrafe.

Luftbild Hohenasperg 1950, Wikipedia

In der o.g. Liste ist ein Poltringer zu finden: Moritz Haar, aus Poltringen, Oberamt Herrenberg, wegen Diebstahl und zweimaligem Entweichen als Sträfling, Strafmaß: 3 Jahre 9 MonateAuch ein Reustener und ein Breitenholzer Häftling waren dort 1813 zu finden.

Die gesamte Liste findet sich hier: https://eberhardfritz.de.tl/Gefangene-auf-der-Festung-Hohenasperg-1813.htm

Grundlegend für das Thema ist der Aufsatz von Eberhard Fritz „Auf die Vestung Hohen-Asperg condemnirt“ – Leben und Alltag der Gefangenen in der Regierungszeit Friedrichs von Württemberg (1797 – 1816) in: Ludwigsburger Geschichtsblätter 67/2013. S. 67-92.

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Für die AG „Poltringer Heimatgeschichte“, Boris Dieter

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Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – „Bunker in Poltringen“

Lageplan der Poltringer Bunker (rosa Punkte = vorhandene Tiefkeller, schwarze Punkte = neu angelegte Bunker), erstellt von Armin Haar, August 2019

In Poltringen gab es während des letzten Weltkrieges etliche Bunker zum Schutz vor Luftangriffen. Zum Glück gab es während des Krieges nur einen Luftangriff am 19.04.1945 (siehe dazu der Amtsblattartikel vom 08.11.18), der zwei Auswärtigen das Leben kostete, aber es gab unzählige Luftalarme. Zum Kriegsende hin war dies fast täglich mehrmals der Fall. Luftschutzalarm erfolgte durch eine Sirene auf dem alten, heute abgebrochenen Rathaus. Die Vorwarnzeit betrug allerdings nur wenige Minuten.

Die (Tief-) Bunker waren entweder tieferliegende bestehende Kellerräume, neuerrichtete Erdbunker oder in den Berg gegrabene Gänge. Hochbunker gab es keine in Poltringen. In Poltringen gab es nur private Bunker und keine öffentlichen Schutzanlagen, die Nutzung erfolgte aber gemeinschaftlich im Nachbarschaftsverbund, sodass für alle Einwohner mehr oder weniger Schutzmöglichkeiten bestanden. Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter (ca. 60 / 10% der Bevölkerung) durften offiziell die Bunker allerdings bei Strafe nicht nutzen; die praktische Umsetzung im Ort war aber oft zum Glück anders.

Der Bunkerbau begann in Poltringen wahrscheinlich zu Kriegsbeginn 1939 und endete erst 1945. Als sicherster Bunker galt wohl der Kellerraum der Schlossscheuer, der heute noch als Keller in Nutzung ist und aus dem 16. Jahrhundert stammt. Heute besteht kein Bunker mehr in seiner ursprünglichen Funktion.

Die Bunker waren teilweise auch mit Betten eingerichtet. Oft erfolgte eine Nutzung nicht nur temporär bei Luftalarm, sondern auch bei häufigen Luftalarmen dauerhafter. Nach dem Einmarsch der Franzosen mussten einige Familien zudem dort auch längere Zeit wohnen, da die Besatzer die eigentlichen Wohnräume für sich beanspruchten. Weitere Nutzungen waren oft auch als Lager für Lebensmittel oder landwirtschaftliche Zwecke.

Eine Ermittlung der ursprünglichen Lage der Bunker erfolgte durch Armin Haar. Wo diese lagen, zeigt die nachfolgende Karte.

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Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – Sage vom Schatz in der Raosen

„Bei Poltringen, zwischen Pfäffingen und Oberndorf, soll in der »Raosen*«, einem Wasserloch, ein Schatz verborgen liegen.“

*Raosen, ggf. von mhd. „rozze“, Lache, wasserreiche Mulde; es gibt in dem Bereich einen direkt in den Aischbach(-graben) fließenden Brunnen („Gäßle-Brünnele“), der aus uralter steingemauerter Wasserleitung gespeist wird, die in Richtung Oberndorfer oder Heidenwald führt, und wie die Quelle seltsamerweise bis heute auf keiner, auch nicht historischer, Karte verzeichnet ist. Vielleicht besteht hier Bezug zu Sage?

Aus „Sagen, Märchen, Volksaberglauben – Volksthümliches aus Schwaben Band 1“ von Anton Birlinger / Michael Richard Buck von 1861; Sage ist mündlich überliefert.

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Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – Sage vom Muotisheer*

„Odins wilde Jagd“ des norwegischen Malers Peter Nicolai Arbo von 1872

„Ein alter Lehrer in Hirschau erzählte oft, wie er einmal noch spät von Poltringen heim sei nach Hirschau. Zwischen Pfäffingen und Poltringen sei es eben gewesen: da hörte er plötzlich ein furchtbares Jagen und Rufen und verworren Schreien. Er sprang über Hals und Kopf, um noch zu dem nächsten Feldkreuz zu kommen. Aber im Nu rief’s schon hinter ihm her: 

“Hû, hû, hû,“

“Auss əm Wëəg!“

Glücklicherweise hatte er das Kreuz erreicht und so gewaltig umklammert, als ob er angewachsen wäre. In dem nämlichen Augenblicke zog eine große Schar Reiter auf Schimmeln und Rappen an ihm vorbei, die Reiter alle ihre Köpfe unter dem Arm. Er kam glücklich davon; hätte er das Kreuz nicht erreicht, so wär’s ihm gewiß nicht gut gegangen.“

*Muotis- oder Wuotisheer oder wilde Jagd: u.a. Sturm der in Tagen der Tag- und Nachtgleiche den Frühling ankündigt oder baldigen großen Krieg, auch in Verbindung mit Odins / Wotans wütendem Heer oder Existenz eines Geisterheeres, das sich in der Nacht erbitterte Kämpfe liefert

Aus „Sagen, Märchen, Volksaberglauben – Volksthümliches aus Schwaben Band 1“ von Anton Birlinger / Michael Richard Buck von 1861; Sage ist mündlich überliefert.

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Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – Sage von der guten Schlossamme

„Zum Ende des 2. Weltkrieges lebte eine in Berlin ausgebombte Familie (Fam. Lange), mit ihren drei im Schloss geborenen Kindern, alleine im Schloss. Da es im Ammertal keine Luftschutzsirenen gab, konnte man sich erst beim hörbaren Dröhnen der Flugzeugmotoren in den Keller flüchten.

Irgendwann began es aber, dass immer vor Luftangriffen ein sich wiederholendes Klopfen an der Wand hörbar war. Dadurch konnte man schon Minuten vor den Angriffen den Keller aufsuchen. Man sah dann öfter nach, ob sich noch jemand im Schloss aufhält, konnte aber nie jemand finden.

Auch ein weiteres seltsames Erlebnis ergab sich, bei dem einem der Kinder der Teddybär von unsichtbarer Hand in die Höhe schwebend gehoben wurde, dort verharrte und sanft in die Kinderhände zurückglitt, ohne dass das Kind Angst zeigte.

Man brachte diese Ereignisse in Verbindung mit der, im Schloss verstorbenen, Amme der letzten Schlossherrin. Diese gehörte zu einer durchreisenden Landfahrergruppe, hatte eine Totgeburt in Poltringen und wurde zur Genesung im Schloss aufgenommen, wo sie dann als Amme verblieb.”

Gekürzt nach den (dem Autor vorliegenden) Aufzeichnungen von Fam. Lange des Schlossverwalters Dieter Christ aus 2001.

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Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – „Woher kommt das Poltringer Ortswappen?“

Bild: Wikipedia

Das erst 1933 festgelegte Gemeindewappen zeigt in Silber auf grünem Dreiberg einen stehenden, rotbezungten schwarzen Eber, darüber eine fünfblättrige rote Rose. Der Eber ist ein altes Fleckenzeichen und geht auf die ehemaligen Ortsherren (bis 16. Jhrdt.), die Grafen von Eberstein, zurück, aus deren Wappen auch die Rose übernommen wurde. Die Rose ist ein Ehrenzeichen, dass den Ebersteinern wohl für ihre Verdienste um die Kirche vom Papst verliehen wurde und daher in deren frühestem Wappen (noch vor dem Eber!) aufgeführt wurde. Diese päpstliche Ehrung gibt es seit dem 11. Jhrdt. und bestand aus einer vergoldeten silbernen Rose mit einem blauen Saphir in der Mitte. Das Wappen war 38 Jahre lang bis zur Gründung von Ammerbuch im Jahr 1971 gültig.

Bis 1933 verfügte Poltringen über kein offizielles Wappen. Da Gemeindewappen aber zu Beginn des 20. Jahrhundert immer beliebter wurden (z.B. 1907 hatte von 1900 Gemeinden in Württemberg nur 152 ein eigenes Wappen) und nachdem zunächst nur die Städte als wappenfähig galten, dies ab 1926 aber auch auf Gemeinden zutraf, entstanden immer mehr Gemeindewappen. Durch die Bestimmungen der deutschen Gemeindeordnung von 1935 wurde die Wappenannahme oder Änderung dann zu einem staatlichen Verwaltungsakt. Jede Gemeinde, die ein Dienstsiegel mit eigenem Bild haben wollte, musste ein Wappen führen. Gemeinden ohne Wappen führten ein Dienstsiegel mit Hakenkreuz. Auch dies könnte dazu motiviert haben sich im eher NSDAP-kritischen Poltringen (siehe Amtsblattartikel vom 14.03.19) ein eigenes Wappen zulegten.

Früher genutzte Poltringer Gemeindefahnen waren rot-weiß, was ggf. Bezug zu den Farben der letzten adligen Schlossherren hatte (v. Ulm-Erbach, blau-weiß-rot) und heute sich noch zeigt in den rote-weißen Fahnen des PFC.

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Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – „Warum heißt Poltringen „Poltringen“?“

Poltringen von Nordosten, Bild: Peter Schneck, Juli 2019

Die Endung eines Ortsnamens mit -ingen (o.ä. wie -ing, -in, -inge, -en, z.B. Reusten) zeigt an, dass es sich wie bei Poltringen um einen Ort handelt, der als einer der ersten nach dem Abzug der Römer aus unserer Region von den nachrückenden Alamannen gegründet wurde. Poltringen wurde zwar erst 1191 erstmals schriftlich erwähnt, wurde aber ggf. schon im 4. Jahrhundert nach Christus gegründet.

Die Wortendung ist immer mit einer Bezeichnung eines Ortes oder einer Person in Bezug zu sehen. In der Regel bezeichneten die Alamannen ihre Dörfer nach den Bewohnern, die Bewohner wiederum sind nach dem Sippenoberhaupt oder Ortsgründer genannt. Dies könnte hier ein Bolthar(i), Baldo, Bolder, Baltrun o.ä. gewesen sein. Die Endung „-ingen“ bei Poltringen etwa bezeichnet den Dativ Plural: „bei den Blutsverwandten des Bolthar(i)“ oder „bei den Leuten, die in der von Bolthar(i) gegründeten Siedlung wohnen“.

Orten mit Endungen wie -heim, – dorf, -weiler, -stetten, -hausen oder -holz wurden erst später gegründet. Da in Ammerbuch sonst alle Ortsteile mit -ingen oder -en enden, ist anzunehmen, dass Breitenholz der am spätesten gegründete Ort ist.

Gründe für die Siedlung an diesem Ort war bei Poltringen sicher die Lage an Ammer, das Vorhandensein einer Furt, diverse Quellen, die Güte des Bodens und die Nachbarschaft zur wahrscheinlich noch in Nutzung befindlichen Römerstraße. Zudem könnte die Nähe zu den Ruinen des römischen Gutshofes, ein etwaiger uralter germanischer Kultplatz unter der heutigen St. Stephanus-Kirche sowie die geschützte Lage im Talausgang, des sich hier verengenden Ammertals, ausschlaggebend für die Wahl der Ortsgründung gewesen sein.

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Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – „Keltische Grabhügel“

Auf dem Schopfenloch am Käsbachknie gab es früher 12 keltische Grabhügel. Diese sind mitterweile aufgrund Planierung durch die landwirtschaftliche Nutzung nicht mehr zu erkennen.

Dort fand man bei Ausgrabungen ca. 1897 bronzene Frauengrabbeilagen / Schmuck aus dem 3./4. Jhrdt. v. Chr.. Dieser ist heute Privatbesitz der Familie von Ow-Wachendorf und im Freiherrlichen Schlossmuseum in Wachendorf ausgestellt. Eine Besichtigung kann gegen Voranmeldung erfolgen.

Boris Dieter, mit freundlicher Genehmigung des Freiherrlichen Schlossmuseums

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